Digitalisierung menschelt nicht

Es war Mitte März, an einem Freitagabend gegen 20 Uhr. Ich saß in einer Videokonferenz zum Thema “Fachliches Netzwerk unter Kollegen”. In der Woche zuvor war ich noch persönlich in Nürnberg gewesen für einen Workshop zum Thema “Online-Shops“. Mein Kopf war also wieder mal voller Input, Anregungen und Ideen. Was ich da noch nicht wusste: am nächsten Montag sollte alles anders sein…
Überall wurde aufgrund der Pandemie das öffentliche Leben heruntergefahren. Auch wir tragen Verantwortung. Für mich und die Kanzlei stand ein arbeitsreiches Wochenende bevor, denn jetzt hieß es: Alle Mann ins Home-Office. Doch das war leichter gesagt als getan. Nicht etwa, weil es an der nötigen Hardware oder Infra-Struktur fehlte, hier sind wir bestens ausgestattet und die ganze Zeit während des Lockdowns auch voll arbeitsfähig gewesen. Was aber auch für uns Neuland war: 15 vollausgestattete Arbeitsplätze quasi über Nacht ganz woanders hinzuverlegen, samt jeder Menge Kabel, Bürostühle, Monitore und sogar Schreibtischen! Unser kleiner megra-Flitzer wurde zum Packesel und war bis Sonntagabend im Dauereinsatz…
Am Montagmorgen waren die Flure in der Kanzlei ungewohnt leer, leise und verlassen. Das sind definitiv die Nachteile des Home-Office und der Digitalisierung: der persönliche Kontakt fehlt. Keine Video-Konferenz und kein Online Chat kann das auffangen. Das kurze Gespräch an der Kaffeemaschine, das Lachen, das über den Flur schallt, die Herzlichkeit. Digitalisierung menschelt nicht!
2020 war arbeitsintensiv und Corona hat unseren Arbeitsalltag bestimmt, aber das muss ich Euch ja nicht erzählen. Jeden Tag neue Informationen, gesetzliche Änderungen und vor allem Fragen! In all das mussten wir uns auch erst hinarbeiten, neben dem was sonst so jeden Tag anfällt. Durchaus verrückt, aber wir haben die vielen Herausforderungen, die 2020 für uns bereit gehalten hat mit Bravour gemeistert: wir haben unsere Komfortzone verlassen und uns mit neuen Arbeitsmethoden und komplexen Thematiken auseinandergesetzt, wir haben unseren Fokus auf die Mandantensicht geschärft, wir haben neue Produktentwicklungen vorangetrieben, denn jede Krise bietet auch Chancen, die man nutzen muss. Wir haben den Teamgeist gestärkt, neue Kollegen dazugewonnen und tatsächlich auch mal wieder Stift und Papier zur Hand genommen, um Ideen zu entwerfen und natürlich auch wieder zu verwerfen. Wir haben Papierschiffchen gebaut, Prototypen gebastelt und sogar Türme aus Spaghetti und Marshmallows.
Was das alles mit Digitalisierung zu tun hat? Mehr als man denkt. Zu sehen, wie Mitarbeiter mitziehen, auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, selbst neue Wege gehen, sich anpassen und vor allem weiterentwickeln, das ist für mich rückblickend betrachtend das Beste, was 2020 passiert ist. Wie nannte es ein Kollege gleich noch? Digitalisierung fängt im Kopf an. Absolut! Digitalisierung wird von Menschen, aber für Menschen gemacht.
Daher werden wir uns auch im neuen Jahr dieser komplexen Aufgabe stellen, unser Dienstleistungs-Portfolio erweitern, unser Netzwerk ausbauen und unsere Beratungskompetenzen weiter in den Vordergrund stellen. Denn Mandanten und Kunden sind und bleiben Menschen, nicht Maschinen.

Martin Grau
LL.M. (Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer)
megra Steuerberatung | Witschaftsprüfung