BLICKstes! – Episode I: Arbeitest Du noch oder homeschoolst Du schon?!

Drum prüfe, wer sich ewig bindet… Da heirate ich eine Frau, die im internationalen Marketing unterwegs war, und binde die wohlweißlich an die eigene Firma, damit sie diese voll nach vorne bringt und dann ist sie in 2020 quasi ein Totalausfall!
Okay, ich gebe zu, dass die vielgepriesene und angeblich so einfache Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft dank flexibler Arbeitszeiten und digitaler Arbeitsplätze gut möglich erscheint, aber in der Praxis doch ziemlich schnell hinkt.
So erlebe ich im März 2020 eine urplötzlich aus allen aktuellen Projekten gerissene Mitarbeiterin, die verzweifelt versucht, zumindest phasenweise am PC zu sitzen. Denn wir sind NICHT systemrelevant und haben deshalb beide Kinder auf unbestimmte Zeit zuhause.
Da kommt im Minutentakt der 3-Jährige an und will spielen, essen, trinken oder sonst was… Mama ist bitteschön nur für ihn da! Also bleiben nur die Schlafenszeiten des Kindes für berufliche Tätigkeit. Ich sag nur: sie erreichen uns werktags außerhalb der üblichen Arbeitszeiten zwischen 20 und 22 Uhr! Autsch. Oder man positioniert die Kinder vor dem Fernseher und das schlechte Gewissen setzt bereits nach zehn Minuten massiv ein.
Ach, und dann ist da ja auch noch dieser Erstklässler, der jetzt im Homeschooling ist. Er soll allein und möglichst digital lernen. Ohne richtig lesen oder gar technische Endgeräte in Gänze bedienen zu können (obwohl es schon erschreckend gut funktioniert). Ohne Zeitgefühl, ob er nun zehn oder dreißig Minuten schreiben geübt hat. Ohne fachliche Anleitung. Ohne jahrelange „Praxiserfahrung“. Nö, is klar!
Deshalb sehe ich meine Frau also vormittags neben dem Schüler sitzen. Sie erklärt, überprüft, motiviert und holt sich gleichzeitig all den Frust des Kindes ab. Das ist von der Ersatzlehrerin nämlich nur mäßig begeistert, vermisst den Klassenverbund, die Freunde, den Rhythmus und versteht die Situation der Pandemie eben nur bedingt.
Manchmal bin ich froh, dass ich mich ins Büro flüchten kann…
Jetzt ist es in Klasse 1 ja noch so, dass die Kinder viel direkt in die Lehrmittel reinschreiben, da bspw. Buchstaben und Zahlen nachgespurt werden. Diese sind aber noch in der Schule und müssen seitenweise, damit niemand vorarbeitet, abgeholt werden.
Die wöchentliche Aufgabenliste und zusätzliche Lernblätter kommen aber immerhin „digital“… Und zwar wie folgt: Lehrer sitzt zuhause und erstellt ein Word-Dokument, welches in ein PDF umgewandelt und via WhatsApp an die Klassenpflegschaft gesendet wird – die eigene Nummer muss ja geheim bleiben, Datenschutz und so. Die Klassenpflegschaft wiederum stellt es in den Klassenchat. Die Eltern rufen das PDF ab und senden es sich an ihre Emailadresse, um es dann am heimischen PC ausdrucken zu können. (Wenn denn ein Drucker verfügbar ist. Andernfalls fährt ein Elternteil „eben schnell“ zur Schule und holt alles nach Voranmeldung haptisch ab.)
Zuletzt bringen die Eltern in einem vordefinierten Zeitfenster die erledigten, ausgedruckten Materialien wieder in die Schule, wo sie durch den Lehrer geprüft werden. In der Folgewoche erhält man dann einen Hinweis auf den Lernerfolg und eventuelle Lerndefizite.
Mit der häppchenweisen Aufteilung und Bereitstellung der Materialien, mit der Anleitung und Kontrolle ist meine Frau vormittags vollkommen ausgelastet, zumal das Kind nicht „alleine“ lernen möchte. Läuft!
In den weiterführenden Schulen gibt es zwar Onlinekonferenzen und -chats und die Kinder können bereits besser eigenständig lernen und sich organisieren, aber es fehlt oft an ausreichend Endgeräten und Druckern. Auch die Internetverbindung ist teilweise überlastet. Hat das Kind eigentlich vor dem Elternteil im Homeoffice Vorrang? Darf zuerst der Abiturient oder der Fünftklässler an der Online-Schulstunde teilnehmen, die für 8 Uhr angesetzt wurde?
Sämtliche Familien stehen vor einer gänzlich neuen Herausforderung der Eigenorganisation. Dass es da zu zwischenmenschlichen Konflikten kommt ist ja quasi vorprogrammiert. Mich wundert daher wenig, dass viele Eltern bereits nach kurzer Zeit am Stock gehen!
Ich bin mir sicher, dass Sie mit ähnlichen Problemen in Ihrem Alltag zu kämpfen hatten und haben, dass MitarbeiterInnen anders – nämlich zeitlich flexibler und ausschließlich von zuhause – arbeiten, dass Sie sich überlegen müssen, wie Sie sich diesbezüglich zukunftsfähig aufstellen möchten.
Vielleicht hilft es uns allen, sich offen und ehrlich, ernsthaft, aber auch augenzwinkernd über das Arbeiten unter diesen Bedingungen auszutauschen, um Best Practices aufzuzeigen, Ideen und Anregungen herauszuarbeiten und voneinander lernen zu können. Wir unternehmen mit BLICKxmas einen ersten Schritt in diese Richtung und freuen uns auf einen regen Austausch mit Ihnen!
Bleiben Sie weiterhin gesund!